Landesparteitag in Ingolstadt
Rund 400 Delegierte haben sich am vergangenen Wochenende im Ingolstädter Stadttheater für den 85. ordentlichen Landesparteitag der FDP Bayern eingefunden, darunter mit Claudia Teichert und Thomas Kestler auch zwei Delegierte aus dem Kreisverband Weißenburg-Gunzenhausen. Eröffnet wurde der Parteitag von der Landesvorsitzenden Katja Hessel, die in ihrer Begrüßungsrede die Forderung nach einer „Wirtschaftswende für Deutschland“ bekräftigte. Angesichts der trüben Konjunkturlage brauche Deutschland wieder mehr Marktwirtschaft, sagte Hessel, und zitierte den ehemaligen liberalen Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff: „Die soziale Marktwirtschaft ist ein Konzept gegen die Krise, sie ist aus einer solchen erwachsen (…). Nur mit Respekt sowohl vor dem freien Markt und dem freien Unternehmertum als auch vor dem staatlichen Gebot des sozialen Ausgleichs lässt sich erfolgreich Wirtschaftspolitik betreiben.“
Eckpunkte dieser Wirtschaftswende müssten, so die FDP-Politikerin, aus der nachhaltigen Finanzierung ohne neue Schulden, dem Abbau von Bürokratie und der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes bestehen. An welchen Stellschrauben konkret gedreht werden muss, hatte die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen bereits in einem jüngst in der Nürnberger Zeitung veröffentlichten Gastbeitrag dargelegt. „Dafür müssen wir als FDP kämpfen!“, rief Katja Hessel den Parteitagsdelegierten zu und übte scharfe Kritik an der Dauerblockade von CDU und CSU gegen das Wachstumschancengesetz. Dieses war nach langen Verhandlungen vor wenigen Tagen im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden, muss aber am 22. März noch im Bundesrat bestätigt werden. Das droht jedoch an der andauernden Verweigerungshaltung der Unionsparteien zu scheitern. „Man muss es so deutlich sagen: Markus Söder und seine CSU betreiben parteipolitische Spielchen auf dem Rücken unserer Wirtschaft und der Bürger. Das ist verantwortungslos und gefährdet viele Arbeitsplätze – auch in Bayern!“
Der Co-Vorsitzende der bayerischen FDP Martin Hagen stieß ins selbe Horn: „Dass die Union das Wachstumschancengesetz aus reinen parteitaktischen Motiven im Bundesrat blockiert, ist ein Skandal!“ CDU und CSU würden sich damit an den Unternehmern und Rentnern versündigen, kritisierte Hagen in seiner Parteitagsrede und zog einen Vergleich: „Das letzte Mal, als der eigentlich zur Vertretung von Länderinteressen vorgesehene Bundesrat derart instrumentalisiert wurde, nur um eine Bundesregierung zu schädigen und das Land zu lähmen, war Mitte der 90er-Jahre unter dem damaligen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine. Markus Söder macht also gerade den Lafontaine von der Pegnitz. Dieses unwürdige Spiel muss ein Ende haben!“
Um dem Nachdruck zu verleihen, haben die Delegierten den Dringlichkeitsantrag „Erste Schritte zur Wirtschaftswende – Wachstumschancengesetz jetzt beschließen“ verabschiedet. „Wir fordern die Union auf, sich auf ihre Verpflichtung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern zu besinnen“, heißt es in dem Beschluss, der vom stellvertretenden Landesvorsitzenden und Bundestagsfraktions-Vizechef Lukas Köhler initiiert wurde.
Danach wurde es spannend, denn ganz oben auf der Antragsliste stand ein Antrag aus Mittelfranken, der darauf abzielte, die Zahl der Mandatsträger im Landesvorstand zu begrenzen. Momentan sind fast alle bayerischen Bundestagsmitglieder auch im Landesvorstand vertreten, was auf verbreitete Kritik stieß. Einerseits sei für beide Aufgaben nicht ausreichend Zeit, andererseits sei es Aufgabe des Vorstands, die Mandatsträger zu kontrollieren und als Stimme der Basis zu fungieren, was bei einer zu starken Verflechtung nicht möglich sei. Einige Redner verwiesen auch auf die Grünen, deren Parteiführung einen gegenüber der Fraktion eigenständigen Kurs verfolgen und auch die Regierung kritisieren könne, was in der FDP mit Lindner in seiner Doppelfunktion als Parteivorsitzender und Finanzminister nicht möglich sei. Hagen und weitere Mitglieder des Landesvorstands sprachen sich vehement gegen die Neuregelung aus. Am Ende wurde der Antrag zwar abgeschwächt, aber im Prinzip angenommen. Künftig soll maximal ein Drittel des Landesvorstands von Mandatsträgern besetzt werden.
Der anhaltende Krieg in der Ukraine nahm am ersten Tag des Parteitagswochenendes ebenfalls viel Raum ein, jährte sich der russische Überfall am 24. Februar doch bereits zum zweiten Mal. Zu diesem Anlass beehrte Dmytro Shevchenko, Kanzler der Ukrainischen Freien Universität in München – die einzige Universität außerhalb der Ukraine, in der auf Ukrainisch, Deutsch und Englisch gelehrt wird –, die Liberalen mit seinem Besuch.
In seiner Rede bedankte sich Shevchenko für die fortwährende Unterstützung der Freien Demokraten. „Ich erinnere mich gut daran, dass die FDP bereits 2013 als einzige Partei die europäische Perspektive für die Ukraine im Bundestagswahlprogramm verankert hat“, sagte der ehemalige Diplomat im ukrainischen Außenministerium. Ausdrücklich hervorgehoben wurde auch Bayerns Landeschef Martin Hagen, der als „erster deutscher Politiker“ bereits vor Kriegsausbruch an ukrainischen Solidaritätskundgebungen teilgenommen hatte. Die russische Aggression gegenüber der Ukraine sei nicht losgelöst von darüber hinausgehenden imperialistischen Bestrebungen Moskaus zu betrachten, mahnte der Kanzler und appellierte an eine stärkere Unterstützung durch die Bundesregierung – was auch die Lieferung von Waffensystemen beinhaltet. Passend dazu verabschiedete der Parteitag den Antrag „Wir stehen ohne Wenn und Aber an der Seite der Verteidiger der Freiheit Europas!“, der neben perspektivischen Maßnahmen zum Wiederaufbau der Ukraine auch explizit die rasche Lieferung von „Taurus“-Marschflugkörper vorsieht. Der Antragsentwurf stammte dabei aus der Feder des stellvertretenden Landesvorsitzenden und außenpolitischen Sprechers der Bundestagsfraktion Ulrich Lechte.
Ein weiterer Schwerpunkt des Parteitags lag auf der Europapolitik – auch mit Blick auf die am 9. Juni anstehende Wahl des Europäischen Parlaments. Hierzu befassten sich die Delegierten mit dem von Generalsekretär Christoph Skutella ausgearbeiteten Leitantrag „In Bayern dahoam, in Europa zu Hause“, der anschließend einstimmig verabschiedet wurde.
Neben intensivierten Kooperationen mit Bayerns Nachbarstaaten – insbesondere im den Bereichen Verkehr, Katastrophenschutz und Kriminalitätsbekämpfung – fordern die Liberalen darin auch eine Stärkung des Subsidiaritätsprinzips. Dieses besagt, dass politische Entscheidungen möglichst vor Ort – und damit bürgernaher – getroffen werden sollen, bevor die Europäische Union gesetzgeberisch tätig wird. „Wir treten an, um Europa besser zu machen, während andere den Status-quo beibehalten oder die EU gar zerstören wollen. Wir sind die wahren Patrioten. Denn wer seine bayerische Heimat liebt, kann nicht für den Austritt Deutschlands und Bayerns aus der Europäischen Union sein“, so FDP-General Skutella.
Dem pflichtete auch der bayerische EU-Spitzenkandidat Phil Hackemann bei, dessen Rede den Parteitag am Sonntag abrundete. Es mache einen Unterschied, wem man bei der Europawahl seine Stimme schenke, sagte Hackemann und verwies auf die gestiegene Bedeutung des EU-Parlaments im Gesetzgebungsverfahren.
Mit Blick auf die politischen Mitbewerber machte der Spitzenkandidat deutlich: „Sie können CDU/CSU wählen für ein Weiter-so von Bürokratie und Bürgerrechtseinschränkungen mit Ursula von der Leyen. Sie können SPD und Grüne wählen für mehr Regulierung und Umverteilung. Sie können AfD und Sahra Wagenknecht wählen, die das europäische Projekt und all seine Errungenschaften zerstören wollen. Oder sie wählen uns Freie Demokraten, die für einen echten Neustart in Europa stehen!“